Freikirche - Freie Gemeinde - Freie Christen
Freie Christen im Kontrast zu Taufscheinchristen und Traditionsgläubigen
Freie Kirche als Gegensatz zu Staatskirchentum und klerikalen Hierarchien
Grundtypen
Chancen und Probleme
Klärungen
Freiheit ist ein Reizwort, in dem viele Bedürfnisse und Wünsche, Ziele und Ideale der heutigen Menschheit zusammenlaufen. Freiheit war und ist daher auch ein zentraler Begriff in der theologischen Auslegung der christlichen Heilsbotschaft. Besonders aber ist Freiheit eine vielgebrauchte Vokabel in der Bezeichnung vieler kleinerer oder größerer christlicher Gruppen geworden.
Allerdings kann das Beiwort „FREI“ nur sehr wenig darüber aussagen, was eine Gruppe oder Gemeinschaft wirklich charakterisiert, genauso wie das Attribut „christlich“ de facto einer riesigen Bedeutungsbreite unterworfen ist. Freikirche, Freie Gemeinde, freie Christen, christliche Gemeinde, Christengemeinde,… – alles Titel, die wenig konkrete Informationen bieten.
Auch wenn man also an der Bezeichnung einer Gemeinschaft in der Regel nicht erkennen kann, worin die spezifische Ausprägung besteht, so soll dieser Artikel anhand der Bezeichnung „FREI…“ einige Unterscheidungen erläutern. Was kennzeichnet Freikirchen bzw. Freie Gemeinden? – Achtung, bei einer so kurzen Zusammenfassung lassen sich Verallgemeinerungen nicht ganz vermeiden.
Freie Christen im Kontrast zu Taufscheinchristen und Traditionsgläubigen
Eine freie Entscheidung für den Glauben an Jesus Christus, die persönliche Beziehung zu Gott und ein Leben in seiner Nachfolge sind in Freikirchen besonders wichtig.
Zum einen ist es notwendig, dass man diese freie und persönliche Entscheidung für den christlichen Glauben als Jugendlicher oder Erwachsener trifft. Dieser Prozess wird, entsprechend der Bibel, „Umkehr“ oder „Bekehrung“ genannt. Kinder zu taufen, wird in vielen Freikirchen abgelehnt.
Zum anderen muss diese Entscheidung dauerhaft und konkret im Leben umgesetzt werden. Diese „Heiligung“ geschieht in einer beständigen, persönlichen Glaubensbeziehung zu Jesus, einer verbindlichen Eingliederung in die freikirchliche Gemeinde, sowie der Bereitschaft, anderen gegenüber Zeugnis für den christlichen Glauben zu geben.
Freie Kirche als Gegensatz zu Staatskirchentum und klerikalen Hierarchien
Rechtlich und organisatorisch stehen Freikirchen im Kontrast zu Staats- und Landeskirchen und zu gebietsmäßigen Strukturen wie Pfarren und Diözesen. Eine weiträumige Organisation mit Ämterhierarchie und Verwaltungsapparat wird abgelehnt; die klare Trennung von Kirche und Staat wird verlangt.
Eine Freikirche versteht sich als die Gemeinschaft der Glaubenden, die sich an ihrem jeweiligen Ort selbständig organisiert, finanziert und verwaltet. Es gibt zwar Amtsträger, aber keinen „geistlichen Stand“; das Priestertum aller Gläubigen wird konsequent durchgeführt. Dienste von speziell ausgebildeten Predigern oder Pastoren sind nicht konstitutiv für die Gemeinde, sondern bestehen nur im Rahmen der Gemeinschaft der Gläubigen. Gemeinden können von sich aus auch Bünde bilden bzw. diesen beitreten, um sich überregional zu organisieren, die Gemeinden bleiben innerhalb der Bünde aber selbstständig. Manche Gemeinden lehnen für sich sogar die Bezeichnung „Kirche“ ab.
Der Begriff „Free Church“ taucht zum ersten Mal bei einer Abspaltung von der schottischen Staatskirche auf (1843, Th. Chalmers).
Theologisch gesehen fußt die Freikirchlichkeit auf dem reformatorischen Anspruch „Allein Christus“. Die Errettung hängt nicht von der Zugehörigkeit zu bestimmten äußeren Kirchenorganisationen ab. Ebenso ist auch der Anspruch exklusiver Sekten abzulehnen, dass das Heil nur bei ihnen zu finden sei.
Als Richtschnur gilt ausschließlich das Wort der Bibel.
Grundtypen
Evangelikale Freikirchen:
Diese stellen, wie der Name sagt, die Bibel zentral in den Mittelpunkt und interpretieren sie möglichst wörtlich. Kennzeichnend ist vor allem die radikale Erlösungslehre, die ein entschiedenes Bekenntnis zu Jesus Christus, Jüngerschaft und missionarisches Zeugnis fordert.
Charismatisch/Pfingstliche Freikirchen:
Sie betonen die geistgewirkten Gaben der Getauften – das beinhaltet z.B. auch Zungenrede und die Gabe der Heilung. Das konkrete Erleben der „Geisttaufe“ und ein sehr unmittelbarer, emotionaler bis extatischer Zugang zu Gottesdienst und Gebet ist verbindend unter den Pfingstlern.
„Konfessionelle“ Freikirchen:
Diesen geht es primär um die Wahrung der ursprünglichen konfessionsspezifischen Bekenntnis- und Lehrbildung ihrer Ursprungskirche. Sie können nur in einem übertragenen Sinn als „Freikirchen“ bezeichnet werden, da etliche der typischen Kennzeichen nicht für sie gelten, z.B. Ablehnung von Kindertaufe oder Ämtern. Beispiele: Methodisten, Altlutheraner, Altkatholiken, kath. Nationalkirchen.
Friedenskirchen:
Sie richten sich speziell an den Aspekten der Gewaltfreiheit und der Gütergemeinschaft aus. Beispiele: Mennoniten, Hutterer.
Chancen und Probleme
Freie Kirche und freies Christsein hat sehr attraktive Seiten. Viele dieser Gemeinden haben große Anziehungskraft durch sehr schwungvolle Gottesdienste, spontanes und lebensnahes Gebet, engagierte Jugendarbeit, ausstrahlende Überzeugung,… . Manche katholischen und evangelischen Pfarren könnten sich da einiges abschauen, auch was die Bedeutung der Bibel für das Leben und die Bereitschaft zum Zeugnis oder generell das persönliche Engagement betrifft.
Die Kehrseite der Freiheit wird ansatzweise bereits im Konzept deutlich: Hat man sich erst einmal frei entschieden, so ist die beständige Bindung die Folge. Und damit die Gruppe oder Gemeinde sich nicht frei auflöst, sind Bindungsmechanismen und Gruppendynamiken besonders wichtig. Das kann dann z.B. bedeuten, dass die Abschottung im eigenen Kreis immer höher wird und die „anderen“ abgewertet werden; dass die Angst vor Schuld und Hölle Abhängigkeiten und psychische Probleme verursacht; dass ein überzogener Missionseifer und der Druck, Menschen retten zu müssen, ausartet. Bestimmte Lehren wie die Naherwartung können ebenfalls psychischen Zwang erzeugen, oder ein Perfektionismus zur ständigen Selbstüberforderung und schließlich zu Depressionen führen. Es kann aber auch einfach der hohe Anspruch an Engagement zu zeitlicher und kräftemäßiger Überforderung und zum Zusammenbruch führen.
Natürlich handelt es sich hierbei um Erscheinungen, die es auch in Volkskirchen gibt, aber in kleinen Gruppen verstärkt beobachtet werden. Daher sind die einzelnen Gemeinden auf dieses Problempotential hin immer wieder kritisch zu prüfen.
Glauben darf jedenfalls auch hier nicht heißen, das eigene Denken auszuschalten.
Klärungen
Gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgemeinschaften in Österreich
Die „Freikirchen in Österreich“ umfassen alle Kirchengemeinden, die dem Bund der Baptistengemeinden in Österreich, dem Bund Evangelikaler Gemeinden in Österreich, den Elaia Christengemeinden, der Freien Christengemeinde – Pfingstgemeinde in Österreich oder der Mennonitischen Freikirche Österreich angehören. Seit Ende August 2013 sind sie eine gesetzlich anerkannte Kirche.
Dieser Bund von fünf freikirchlichen Bünden ist also eine sehr neue und auch ungewöhnliche Entwicklung. Es ist gelungen, durchaus unterschiedliche Gemeinden unter dem Siegel „Freikirche“ zu vereinen, ohne „mit dem Bügeleisen drüberzufahren“. Sind bereits die fünf Bünde sehr unterschiedlich, so zeigen insbesondere die FCG-Pfingstgemeinden selbst noch einmal ein sehr buntes, breitgefächertes Bild. Konstitutiv für diesen Zusammenschluss sind das Bekenntnis zu Christus und zur Bibel, sowie die hohe Bedeutung der freien Entscheidung für den Glauben und der Selbständigkeit der Gemeinde vor Ort.
Zu beachten ist, dass keineswegs „alle“ Freikirchen von diesem Bund erfasst sind. Eine genaue, aktuelle Liste kann jeweils der Homepage www.freikirchen.at/freikirchen/gemeinden/ entnommen werden.
Die „Altkatholische Kirche“ zählt man auch zu den “konfessionellen Freikirchen“, (siehe oben). Die Altkatholiken lehnen dogmatische Entscheidungen des 1. Vatikanischen Konzils ab.
Die „Neuapostolische Kirche“ ist mit ihrer apostolischen Grundlage zumindest keine „klassische“ Freikirche. Ihr Selbstverständnis ist derzeit stark in interner Diskussion, mit dem Ziel einer ökumenischen Annäherung.
Mormonen: Die „Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage“ hat einige christliche Wurzeln, aber auch bedeutsame Sonderlehren und Neuoffenbarungen, sodass wir sie nicht zu den christlichen Kirchen zählen.
Staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaften
Die „Pfingstkirche Gemeinde Gottes“ kann inhaltlich wohl als Freikirche gelten, strukturell hat sie allerdings einen streng hierarchischen internationalen Aufbau.
Die „Kirche der Siebten-Tags-Adventisten“, früher als Sondergemeinschaft oder „Sekte“ betrachtet, kann infolge ihrer deutlichen ökumenischen Öffnung heute durchaus als christliche Freikirche bezeichnet werden.
Die „Vereinigungskirche“ ist keine christliche Kirche, sondern die religiöse Organisation der Mun-Bewegung.
„Die Christengemeinschaft“ baut auf der Weltanschauung Rudolf Steiners und der Anthroposophie auf und wird daher nicht zu den christlichen Freikirchen gezählt.
Ebenso ist der in Waldorfschulen angebotene „freichristliche Religionsunterricht“ nicht in diesem Sinn als „frei“ zu betrachten, sondern der Praxis und Lehre Rudolf Steiners zuzuordnen.
Literatur
W. Beinert (Hg.), Lexikon der katholischen Dogmatik, Freiburg i.Br. 1987, S. 161f;
H. Gasper et al. (Hg.), Lexikon christlicher Kirchen und Sondergemeinschaften, Freiburg i.Br. 2009, S. 94f;
R. Hempelmann, Die "neuen" evangelischen Freikirchen, in: EZW-Materialdienst 6/2002, abrufbar unter: http://www.ezw-berlin.de/html/15_262.php
F. Hinkelmann, Kirchen, Freikirchen und christliche Gemeinschaften in Österreich, Handbuch der Konfessionskunde, Wien 2016;
P. Neuner / B. Kleinschwärzer-Meister, Kleines Handbuch der Ökumene, Ostfildern 2002;
J. Sinabell, Freikirchen, Evangelikale und Pfingstler, in: Werkmappe Nr. 94/2, Wien 2008, abrufbar unter: http://www.weltanschauungsfragen.at/publikationen-weltanschauungen-texte-zur-religioesen-vielfalt
Websites:
Freikirchen in Österreich: http://www.freikirchen.at/freikirchen/freikirche/
LIFE Church: https://www.lifechurch.at/lifechurch/freikirche
Agape Gospel Church: http://www.agape-salzburg.org/Freikirche.html (mit Verweis auf Helmuth Eiwen, Ichthys Gemeinde Wiener Neustadt, http://www.ichthys.at/)
Meinrad Föger, 2020