Freeman, Souverän und Staatsverweigerer
Die Begriffe
Der Strohmann
Freeman und Souverän sind keine Personen
Umfeld
Die Begriffe
„Freeman“ und „Souverän“ sind Selbstbezeichnungen in der oftmals esoterisch geprägten staats- und behördenkritischen Szene. Sie sehen sich als souveräne Individuen, die niemandem und somit auch keiner Institution Rechte über sich zugestehen, sondern alle Rechte selbst besitzen.
Diese Vorstellungen dürften die österreichischen Freemen von den nordamerikanischen Freemen (bzw. Freemen on the Land) aufgegriffen haben. Ein Souverän oder Freeman vertritt die Überzeugung, dass es keine staatliche Gewalt über einen Menschen gibt. Er oder sie definiert sich zudem nicht als „Person“, sondern als autonomes Individuum, als „souveräner Mensch“. Daher fühlen sie sich weder an staatliche Gesetze gebunden noch verpflichtet, Steuern und Abgaben zu zahlen. Das einzige Gesetz, dem sie sich verpflichtet fühlen ist ein sogenanntes „Naturrecht“ („common law“). Lehre, Ansichten und Praxis werden mit pseudorechtlichen Formulierungen begründet, die – obwohl sehr überzeugt vorgebracht – einer ernsthaften Auseinandersetzung nicht standhalten. Es handelt sich um eine sehr individualistische Szene mit einer starken Sehnsucht nach Gemeinschaft, die nicht auf Österreich beschränkt ist. Lehren und Ideen sind vielfach einem großen Wandel unterworfen und werden bei Stammtischen, in Vorträgen und sozialen Medien weitergegeben.
Freemen oder Souveräne teilen Behörden in Schreiben mit, dass sie sich nicht als österreichische Bürgerinnen und Bürger sehen. Da nach ihrer Ansicht die Republik Österreich bloß eine Firma bzw. eine juristische Illusion ist, fühlt sich ein Souverän bzw. Freeman Österreich gegenüber zu nichts verpflichtet. Jede Verpflichtung müsste somit durch einen eigenen Vertrag geregelt werden – ein Souverän/Freeman sieht sich in diesem Sinne als gleichberechtigtes Gegenüber der „Firma“ Österreich.
Der Strohmann
Nach Darstellung der Anhängerinnen und Anhänger dieser Ideen haben alle Bewohner eines Staates unwissentlich einen Vertrag mit der „Firma Staat“ abgeschlossen, der nur dazu diene, sie zu knechten und auszunützen. Als Erklärung wird auf die „Strohmann-Theorie“
verwiesen, die besagt, dass durch die Ausstellung einer Geburtsurkunde mit einem Namen und einer Nummer der Träger bzw. die Trägerin des Namens zu einer Person werde und dadurch mit allem zukünftigen Hab und Gut in den Besitz des Staates übergehe. Diese in den staatlichen Urkunden (z. B. Geburtsurkunde, Führerschein, Reisepass…) angeführte Person wird als „Strohmann“ bezeichnet. Sie ist also in diesem Verständnis eine juristische Fiktion, deren Aufgaben – bei Abtretung aller natürlichen Rechte – darin bestehe, Arbeitsleistung zu erbringen, Steuern und Abgaben zu zahlen sowie zu konsumieren. Krankenversicherungs- und Sozialversicherungsbeiträge, Schulpflicht, Gehaltskonten etc. werden als Entmündigung durch die „Firma Staat“ und als bloße Erwerbsquellen angesehen, die alleine dazu dienen, den Staat und die (Finanz-)Wirtschaft am zu erhalten. Inhalt dieser Überzeugung ist auch, dass sich der Mensch durch die Ausstellung einer Geburtsurkunde und anderer staatlicher Dokumente ganz dem Staat unterwirft und ein Sklave wird, der über sich, sein Leben und seinen Besitz nicht mehr selber verfügen kann. Gleichzeitig wird Personen ein finanzieller Wert zugesprochen, der dem Staat im internationalen Handel zur Verfügung steht. Diese Tatsache werde den Menschen aber verschwiegen, und mit Hilfe der Medien und des Erziehungssystems werde ihnen eingeredet, dass sie frei seien.
Freeman und Souverän sind keine Personen
Diesem angeblichen Sklavensystem stehen Souverän und Freeman gegenüber. Sie sehen sich selbst als dem Staat gleichberechtigt an und müssen sich darum keinen staatlichen Regeln, Normen und Auflagen unterwerfen. Wenn diese Regeln erfüllt werden, dann immer nur aus freiem Willen. Auch Vereinbarungen mit Behörden und Institutionen werden mit Verträgen, sogenannten „Kulanzmitteilungen“ („Courtesy Notices“) geregelt. Zwar nehmen Souverän und Freeman die Leistungen des Staates in Anspruch, fühlen sich aber nicht dazu verpflichtet, selbst einen Beitrag zu leisten, da sie davon überzeugt sind, dass ihnen der Staat Geld schuldet. Als Begründung für die etwaige Verwendung von staatlichen Urkunden wie Führerschein, Reisepass oder Steuernummern wird angegeben, dass dadurch Konflikte und Probleme im alltäglichen Leben vermieden werden sollen. Daraus dürfe jedoch keine Anerkennung einer Autorität gefolgert werden.
Die Überzeugung, ein autonomes Individuum zu sein, wird durch verschiedene äußere Akte und Zeichen ausgedrückt. Vielfach stellen Anhängerinnen und Anhänger dieser Gruppierungen eigene Dokumente aus, die sie bei Bedarf auch vorweisen (z. B. Führerschein, Sheriffausweis…). Bei der Schreibweise des Namens achten sie tunlichst darauf, keine Anrede zu verwenden und zudem alles in Kleinbuchstaben zu schreiben, denn eine Anrede und das Schreiben des Namens in Großbuchstaben gelten bereits als Zeichen der Versklavung. Zudem vermeiden sie auch die Nennung des Familiennamens und verwenden stattdessen die Formulierung „aus der Familie“ („adF“) und bei Ortsangaben „in der Nähe von“. Behörden und Staaten werden vielfach mit dem Adjektiv „angeblich“ („ang.“) versehen. Grundlegende Dokumente werden mit Fingerabdruck und zuweilen auch mit Blut bestätigt.
Umfeld
Freeman, Souverän und Staatsverweigerer sind Teil eines Netzes alternativer und esoterischer Bewegungen und Ideen. So wurde im Sommer 2014 in Wien der „Internationale Justizgerichtshof für Naturrecht, Völkerrecht und Allgemeingültige Rechtsprechung“ („International Common Law Court of Justice Vienna“, ICCJV) gegründet. Auf seiner Homepage behauptet er von sich selbst, über allen anderen Gerichten zu stehen: „Der International Common Law Court of Justice ist aufgrund seiner Internationalen Rechtsgrundlagen und seiner Zuständigkeit für Menschen die international höchste Instanz als Gericht und steht im Stufenbau des Rechtes vor jedem Zivil- und Strafrecht, weil das Recht vom lebendigen Menschen und nicht von künstlichen Personen stammt.“ Er trat sehr selbstbewusst auf, stellte Haftbefehle aus und forderte österreichische Landesgerichte dazu auf, ihm unentgeltlich ausgestattete Räume zur Verfügung zu stellen. Auch informierte er Polizeidienststellen darüber, dass Polizisten mit vom Gerichtshof ernannten Sheriffs zusammenarbeiten müssen.
Bekannt wurde der Gerichtshof im Zusammenhang mit dem inzwischen aufgelösten „One People’s Public Trust“ (OPPT). Dessen Proponenten behaupteten, dass – durch die Aktionen des OPPT – seit 2012 alle Staaten zwangsvollstreckt seien, also keine rechtlichen Grundlagen mehr hätten. Des Weiteren behaupteten sie, dass für jeden Menschen 5 Milliarden US-Dollar (an anderer Stelle ist von 10 Milliarden US-Dollar die Rede) als Abgeltung für vergangenes, an der Menschheit durch Regierungen und die Finanzwelt begangenes Unrecht erwirkt worden wären, die von den Regierungen nur mehr an jeden einzelnen Menschen ausgezahlt werden müssen. Inzwischen distanziert sich der „International Common Law Court of Justice“ allerdings vom OPPT. Im Jahr 2015 ist der ICCJV von Österreich in die Schweiz übersiedelt und vor allem im Rahmen von selbstbewusst verfassten und massenhaft versandten Papieren tätig geworden.
Im Oktober 2015 wurde der Staat Burgenland als eigenständige Organisation gegründet. Am 11. November 2015 wurde von einer überschaubarer Personengruppe in Güssing (Burgenland) die „Verfassungsgebende Versammlung“ (VGV) für den „Staatenbund Österreich“ – im Gegenüber zur abgelehnten Republik Österreich – ausgerufen und eingesetzt. Nach Ansicht der Gründerin und Präsidentin dieses Konstruktes „gehört das Hoheitsgebiet von Österreich den lebenden souveränen Menschen – dem Volk – selbst.“ Unter dem Dach des Staatenbundes wurden neun souveräne Staaten, entsprechend den neun österreichischen Bundesländern, errichtet. Nach Bekanntwerden der Pläne der „Staatsverweigerer“, gegen Behördenvertreter Gerichtsverfahren abzuhalten und auch wegen Vorwurfs des Betrug durch den Verkauf von selbstgemachten Dokumenten kam es 2017 zu Verhaftungen der Gründerin und weiterer Personen.
In den Kreisen der Interessierten wurden noch eine Fülle anderer alternativer, häufig esoterischer und teilweise auch bedenklicher Ideen verbreitet: Seien es die WeRe Bank, die Finanzsysteme von Franz Hörmann, das UBUNTU Prinzip des Südafrikaners Michael Tellinger oder Methoden zur Gewinnung Freier Energie, wie etwa die „Freie Energie“ nach Mehran Tavakoli Kheshe. Verbindungen bestehen auch zu den Reichsbürgern und ähnlichen Organisationen in Deutschland.
Bei der Beschäftigung mit diesen Phänomenen ist es nicht verwunderlich, dass man sehr schnell in der Szene der Verschwörungstheoretiker landet, in der nicht nur von einer gesteuerten Presse die Rede ist, die dazu eingesetzt wir, die Menschen zu verdummen.
Literatur
Tätigkeitsbericht 2014 der Bundesstelle für Sektenfragen (Seiten 69-95):
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/III/III_00207/imfname_468095.pdf
Tätigkeitsbericht 2017 der Bundesstelle für Sektenfragen (Seiten 73-96):
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/III/III_00184/imfname_708952.pdf
J. Sinabell, One People’s Public Trust – OPPT, in: Verschwörungstheorien (WAT 106), S. 69-86
Links
http://www.welcometofreedom.at
http://www.iccjv.org
http://wirsindeins.org/
Johannes Sinabell, 2018