Immer mehr Menschen wenden sich neben ihren Besuchen bei der Hausärztin, dem Facharzt und der Psychotherapeutin – leider manchmal auch stattdessen – an Anbieterinnen von alternativmedizinischen Behandlungsmethoden, an Energethiker oder spirituelle Heilerinnen. Alternative Heilverfahren sind kein modernes Phänomen, sie waren und sind ständige Begleiterinnen der wissenschaftlich begründeten Medizin. Neu ist allerdings, dass ein großer Markt mit unüberschaubar vielen Angeboten entstanden ist, deren Qualität oftmals unterschiedlicher nicht sein könnte. Interessantes und durchaus Seriöses tummelt sich neben Humbug und Geldmacherei.
Das Streben nach Gesundheit und der Glaube an Heilung können manchmal religiöse und suchtartige Züge annehmen und unsere Selbstoptimierungsgesellschaft läuft insgesamt Gefahr, Menschen auf ihre psychische und physische Gesundheit zu reduzieren. Gesundheit wird gerne als das höchste Gut betrachtet. Wie muss aber beispielsweise der Satz „Hauptsache gesund“ in den Ohren von Menschen klingen, die akut oder chronisch krank sind oder mit einer Beeinträchtigung leben? Sind nicht letztlich eigentlich jene Menschen gesund und heil, die auch Grenzen in ihrem Leben, ja Leiden und Krankheit, zu integrieren wissen und in den verschiedenen Situationen Lebensmöglichkeiten zu ergreifen vermögen?